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Wie kam der Mensch auf den Eurasier?

Also: Wo fangen wir an? Wenn man die Geschichte der Eurasierzucht insgesamt betrachtet, so fallen einem einige recht markante Persönlichkeiten und Umstände auf, die zur Entwicklung dieser - immer noch neuen und noch lange nicht fertigen - Hunderasse geführt haben. Diese Persönlichkeiten möchte ich ihnen vorstellen. Gleichzeitig nehme ich die Gelegenheit zum Anlass, Sie mit den ursprünglichen Motiven, Ideen und Zielen der Eurasierzucht vertraut zu machen, in der Hoffnung, dass diese Idealvorstellungen als solche im Bewusstsein verbleiben und als Richtschnur der Zuchtarbeit dienen werden.

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 1949 schrieb Konrad Lorenz sein viel beachtetes Buch "Er redete mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen". Es war seine   erste  Veröffentlichung in Buchform nach seiner Rückkehr aus der russischen Kriegsgefangenschaft ein Jahr zuvor. Wer war dieser   Prof. Dr.   med. und Dr. phil. Konrad Lorenz?
 1903 in Wien, in eine wissenschaftlich fruchtbare Zeit hineingeboren, war er einer der größten Naturwissenschaftler des 20.   Jahrhunderts. Er gilt als Vater der Verhaltensforschung und ist Begründer einer neuen philosophischen Schule, der "Evolutionären Erkenntnislehre". Er war einer der populärsten   Wissenschaftler unserer Zeit und wie aus einem biographischen Werk von 1983 zu entnehmen ist, war Lorenz bei seinem 80.   Geburtstag:

    •  - neunfacher Ehrendoktor,
  •  - fünffacher Ehrenprofessor Mitglied von neun wissenschaftlichen Akademien und 25 bild03 lorenz ehrenmitgliedwissenschaftlichen Gesellschaften, Ordinarius für Psychologie und Direktor des Max-Planck-Instituts für Verhaltensphysiologie.
  •  - Für seine Leistungen wurde er mit dem Orden   Pour le Mérite, dem Kalinga-Preis der UNESCO und anderen Auszeichnungen geehrt.   
  • - Am  10. Dez. 1973 erhielt er den Nobel-Preis für Physiologie und Medizin zusammen mit   Carl von Frisch und Nikolaas Tinbergen.

Und worauf wir besonders stolz sein können: er war begeistertes Ehrenmitglied unserer Zuchtgemeinschaft für Eurasier e.V.

 In dem oben genannten Buch - das übrigens bis heute ununterbrochen verlegt wird, beschreibt Lorenz die wesentlichsten Erkenntnisse und Gedanken seines  bisherigen Lebens und seiner wissenschaftlichen Tätigkeit in einer unglaublich lebendigen und gut verständlichen Form. Da ist die Rede von Wölfen, Fischen, Graugänsen, Enten und von berühmt gewordenen Tierpersönlichkeiten etwa von der Dohle „Tschock“, von dem Gänsekind „Martina“.  Begriffe wie „Prägung“ oder die „Spontaneität von Instinkthandlungen“, „Kindchenschema“ und sehr viel andere, heute selbstverständlich gewordene Begriffe, sind Entdeckungen von Konrad Lorenz. Mit seinen lebendigen Darstellungen konnte er viele Menschen für seine Wissenschaft begeistern – und gerade für uns Hundefreunde ist es interessant, dass viele namhafte Kynologen und Verhaltensforscher über dieses Werk zur Biologie fanden und einige davon sogar Konrad Lorenz-Schüler wurden oder seinen Spuren folgten.

Was uns aber viel mehr interessiert, ist ein Kapitel in diesem besagten Buch mit der Überschrift „Treue ist kein leerer Wahn“, welches dem Hund gewidmet ist. Für Konrad Lorenz, der stets von Tieren umgeben lebte, – seine Wohnung glich einer „Arche“ - war ein Leben ohne Hunde nicht vorstellbar. Er hatte meist mehrere davon gleichzeitig, die er auch sehr sorgfältig beobachtete. Dabei hat er vieles gesehen, was andere möglicherweise auch sahen, mit dem entscheidenden Unterschied: Er hat es mit den Augen des aufmerksamen Wissenschaftlers gesehen und er hat sich seine Gedanken darüber gemacht. In dem genannten Kapitel spekuliert Lorenz darüber, wie sich das Wildtier - Wolf bzw. Schakal - dem Menschen angenähert, und wie sich die Domestikation - die Entwicklung zum Haustier Hund - im Laufe der Jahrtausende vollzogen haben könnte.

 Lorenz geht auf die heute angetroffenen Hunde ein, die er in zwei Hauptgruppen aufteilt. Einmal in die Gruppe der nordischen Hunde - er nennt sie "Canis Lupus", weil sie noch mehr wölfisches Verhalten zeigen als die Vergleichsgruppe der hoch domestizierten Rassen wie etwa die mitteleuropäischen Haus- und Gebrauchshunde. In dieser zweiten Gruppe vermutete er einen stärkeren Anteil an Goldschakal-Blut ("Canis Aureus"). Er ging davon aus, dass unsere Hunde sowohl Lupus als auch Aureusblut führen, jedoch mit unterschiedlichen Anteilen.

Diese Herkunfts-Annahme hat sich später als falsch erwiesen. Wie Alfred Seitz, Erik Zimen, Eberhardt Trumler, und andere namhafte Kynologen inzwischen festgestellt haben, stammt der Hund mit hoher Wahrscheinlichkeit ausschließlich vom Wolf ab. Konrad Lorenz war stolz darauf, dass es seine eigenen Schüler waren, die seine Annahme widerlegt haben.

Das tut im Prinzip hier nichts zur Sache, weil es die reine Entwicklungsgeschichte der Caniden (Hundeartigen) betrifft, nicht aber die eigentliche Substanz der beschriebenen Beobachtungen und Aussagen. Diese Begriffe sollen also hier nur zur Beschreibung der unterschiedlichen Eigenschaften dienen. Lassen wir es dabei, um den Zitaten von Lorenz besser folgen zu können. Zu den Lupushunden zählte er Rassen wie Lappenhunde, russische Lajkas, Samojeden und Chow-Chows, wobei er in den nordamerikanischen Malamuten den stärksten Lupus-Anteil vermutete. Als Aureushunde bezeichnete er Rassen wie die Deutschen Schäferhunde, Doggen, Pudel, Jagd- und Gebrauchshunde etc.

Ganz besonders beeindruckte Lorenz die Bindung des Hundes an einen bestimmten Menschen, die er Herrentreue nannte; ein Vorgang, der sich in einer "empfänglichen Periode" innerhalb weniger Tage vollzieht - wobei diese Entwicklung beim Lupushund mit etwa sechs Monaten wesentlich früher zu erkennen ist, als beim Aureushund. Den Charakter des Lupushundes beschreibt Lorenz wie folgt: "Die zurückhaltende Exklusivität und der kämpferische Zusammenhalt um jeden Preis sind die Eigenschaften des Wolfes, die den Charakter aller lupusblütigen Hunderassen in einem sehr günstigen Sinne beeinflussen und sie vorteilhaft von den Aureushunden unterscheidet." Und weiter: "Hat ein Lupushund hingegen einmal einem Menschen den Treueeid geleistet, so bleibt er für immer dieses einen Mannes Hund; ein Fremder kann ihm auch nicht einmal einen einzigen Wedler seiner buschigen Rute abgewinnen. Kein Mensch, der die Einherrentreue eines Lupushundes besessen hat, wird jemals wieder mit einem Aureushund glücklich sein"… "Außerdem ist ein lupusblütiger Hund trotz seiner maßlosen Treue und Anhänglichkeit nicht unterwürfig. Er stirbt, wenn er dich verliert, aber einen wirklichen Appell bringst du ihm ums Verrecken nicht bei. …. Ein Lupushund hat viele Eigenschaften eines großen, katzenartigen Raubtiers; er ist zwar dein Freund bis zum Tode, aber niemals dein Sklave. Obwohl er deiner Person zum Leben nicht entraten kann, führt er ein sehr bestimmtes, eigenes Privatleben".

Den Aureushund beschreibt Lorenz als einen Hund, dem als Folge seiner uralten Domestikation seine jugendliche Abhängigkeit und Anhänglichkeit dauerhaft erhalten geblieben ist, die ihn damit zum folgsamen und angenehmen Weggenossen des Menschen macht. Er kommt gerne, wenn man ihn beim Namen ruft, wartet ergeben auf den leisesten Wunsch, den er augenblicklich auszuführen trachtet: "Ein solcher Hund, der der Hund aller Welt ist, kommt einem naturgemäß leicht abhanden, da er mit jedem Fremden vertraut wird, der ihn freundlich anspricht. Aber ein Hund der mir gestohlen werden kann, der kann mir gestohlen werden!" Lorenz schätzte trotz der Hochachtung für den Lupushund auch den unvergleichlichen Gehorsam des Schäferhundes "andererseits" so schreibt er weiter, "sind die edlen Raubtiereigenschaften des Lupushundes, die Sparsamkeit im äußeren Ausdruck dieser großen Liebe, kurz, die innere Vornehmheit nicht weniger großartig; dem hat wiederum kein Aureushund Ähnliches entgegen zu setzen. Aber beides zusammen kann man nicht haben. Kann man das wirklich nicht?"

Nun erzählt er die Geschichte von seinem Schäferhundrüden Bubi und der Chowdame Pygi, von der ungeplanten Hochzeit der beiden und dem Beginn seiner Chow-Schäferhundzüchtung. Aus dieser Zufalls-Verpaarung behielt Lorenz eine Hündin namens "Stasi". Stasi war anders als erwartet: Sie hatte alle guten Eigenschaften der beiden Ausgangsrassen ideal in sich vereinigt. Lorenz schrieb: "Dies gelang über alles Erwarten gut. Während sonst im allgemeinen Rassekreuzungen allzuhäufig gerade die schlechten Eigenschaften beider Elternarten in sich vereinigen, war hier in ausgesprochenem Maße das Gegenteil der Fall...".

(alle Zitate aus: Konrad Lorenz, Er redete mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen, 4. Auflage, März 1965, DTV München)

1950 erschien das Buch "So kam der Mensch auf den Hund". Ein großartiges Werk, es ist DAS Hundebuch an sich, von dem Horst Stern in den 70er Jahren sagte: "Man könnte so gut wie alle anderen Hundebücher verramschen, und es ginge nichts Wesentliches an elementarem Hundewissen verloren."


bild18 rodin konrad lorenz In diesem Buch ging Lorenz auch ausführlich auf die besonderen Charaktereigenschaften des Chow-Schäferhund-Mischlings   "Stasi" ein. Was er da beschreibt, sind exakt die erwünschten Charaktereigenschaften unseres Eurasiers. Übrigens, diese   "Stasi" lebte schon lange bevor Lorenz der Berufung zum Ordinarius für Psychologie an der Universität Königsberg folgte, und das    war im September 1940.

 

 

bild04 chow 1940  Hier möchte ich Ihnen einmal ein zuverlässig datiertes Foto eines Chow-Chows vorstellen, aufgenommen 1940 in Erfurt, damit Sie auch    sehen von welchem Typ von Chow-Chow hier die Rede ist. Der heutige Chow-Chow hat sich deutlich von diesem Phänotyp entfernt.